Als Kind von Chile in die DDR

Crístian Hernán Gárate Garay erinnert sein Ankommen in der DDR 1974

Wir waren damals Kinder. Die Ereignisse in Chile, der Militärputsch gegen die Regierung unter Salvador Allende im September 1973, das Stadion, die Konzentrationslager, die Ermordungen… Im September oder Oktober 1974, ich war 11 Jahre alt, kamen wir auf dem Flughafen Schönefeld an. Alle kamen damals dort an. Es war bitterkalt und es schneite. Wir wurden von Betreuern abgeholt. Das waren Vertreter vom Solidaritätskomitee, damals eine Organisation der DDR, die prosozialistische Bewegungen und Staaten unterstützte. Wir fuhren mit einem Barkas, einem B 1000, von Berlin nach Eisenhüttenstadt ins Aufnahmeheim. In der DDR gab es mehrere davon. Das waren aber keine Aufnahmelager, wie man sie heutzutage kennt, Wohncontainer oder so. In Eisenhüttenstadt war es das Hotel Lunik, dessen oberste drei Etagen als Heim hergerichtet wurden und wir waren so fünf, sechs Familien, die dort untergebracht wurden. Im nächsten dreiviertel Jahr wurde uns beigebracht wie das hier mit der medizinischen Versorgung funktioniert, was man im Straßenverkehr beachten muss, wie man mit dem Geld umgeht und Deutschunterricht hatten wir auch. Dann waren wir noch kurz in Frankfurt/Oder, wo ich auch zur Schule gegangen bin, bis es hieß: Ihr werdet nun auf die Bezirke verteilt. Unsere Familie kam mit anderen Familien nach Potsdam. Zuerst waren wir in dem kleinen Dorf Caputh, dem Sommerwohnort von Albert Einstein. Wir wohnten nicht weit von seinem Sommerhaus entfernt und ich besuchte die Schule im Dorf. Ich glaube, ich war dann schon 13 als unser normales Leben begann. Unsere Familie erhielt in einer Neubausiedlung in Potsdam-Babelsberg zwei Wohnungen, weil wir ja sechs Kinder waren. Die Zimmer der einen Wohnung nutzten wir als Kinderzimmer bzw. Arbeits- und Schlafzimmer der Eltern. Die andere Wohnung war unser großes Wohnzimmer, in dem wir gemeinsam aßen, uns unterhielten, zusammen Spaß hatten. Wir gingen zur Schule, meine Eltern bekamen Arbeit und bildeten sich weiter.

Crístian Hernán Gárate Garay, 2021