Was ist eigentlich ein Reisegewerbeschein?

Mit dem Mauerfall wurden viele Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter oft als erste von den Betrieben entlassen. Durch die bilateral geschlossenen Verträge hatten sie zwar noch ein Aufenthaltsrecht bis die vereinbarte Zeit ablief, aber viele spürten den Druck durch rassistische Anfeindungen und Gewalttaten. Hinzu kam – plötzlich waren sie ohne Arbeit und Wohnung. Während es in der DDR keine existenziellen Sorgen gab, mussten sie sich auf einmal um alles selbst kümmern.

Wie viele andere stellte sich auch für Phan Hong Nam die Frage: Hierbleiben oder nach Hause? Er entschied sich für Hierbleiben und durchlebte in den 1990er Jahren eine harte Zeit. Es fehlt das Kapital und das Wissen, um ein Unternehmen zu gründen. Er musste ganz klein anfangen. Zuerst verkaufte er Waren im Straßenverkauf, die er in Westdeutschland einkaufte und auf Märkten in Ostdeutschland verkaufte. Dafür hatte er nur große Taschen, mit Karomuster aus Plastik mit Reißverschluss, in denen er die Sachen transportierte und aus denen heraus er verkaufte. Dass er dafür eine Genehmigung brauchte, wusste er nicht, bis ihn jemand fragte, ob er denn einen Reisegewerbeschein hätte. Er fragte erstaunt: Was ist ein Reisegewerbeschein? Über viele Nachfragen fand er es heraus und ging zur Behörde, um sich seinen ersten offiziellen Reisegewerbeschein zu besorgen, den er bis heute als Andenken an seinen schwierigen Neustart aufbewahrt.

Die offizielle Selbständigkeit im Handel begann für Phan Hong Nam 1991 und bis heute führt er erfolgreich ein Geschäft in Rathenow (Brandenburg). Dadurch hatte er die ökonomische Basis für einen langfristigen Aufenthalt im wiedervereinigten Deutschland und kennt sich inzwischen sehr gut aus mit allen Themen rund um die Selbständigkeit.

Beim Zeitzeugengespräch am 10. Oktober 2021 in Potsdam sprach er über seine Erfahrungen und hatte seinen ersten Reisegewerbeschein mitgebracht, um ihn dem Publikum zu zeigen.