Von der Hauptstadt ins Fischerdorf

Adelia Engel erinnert sich an ihr Ankommen in der DDR 1966

Ich bin in der Hauptstadt von Aserbaidschan, Baku, geboren und aufgewachsen, damals noch Sowjetrepublik. Hier habe ich meinen Mann kennengelernt, der Anfang der 1960er Jahre von der DDR zum Studium nach Baku delegiert wurde. An unserer Hochschule für Seestreitkräfte wurde er zum Marineoffizier ausgebildet. Baku liegt ja am Kaspischen Meer.  Nach Abschluss der Schule fing ich an, als Sachbearbeiterin zu arbeiten und machte ein 6-Jähriges Abendstudium an der Polytechnischen Hochschule für Bauwesen. 1965 heirateten wir, es dauerte noch ein Jahr, bis alle Papiere fertig waren und wir auch mit unserem Studium. Dann ging es los. Mein Mann stammte aus Berlin. Bevor wir weiter zu seinem Einsatzort an der Küste fuhren, machten wir dort einen Monat Urlaub. Von Berlin war ich sehr enttäuscht. Alles schien mir dort grau in grau. Der Fernsehturm war im Werden begriffen und eine einzige Baustelle. Auch war noch viel vom Krieg zerstört. „Das ist also die berühmte Stadt-, dachte ich, für die so viele Opfer gebracht wurden, um sie zu erobern.“ Nach dem Urlaub zogen wir an die Arbeitsstelle meines Mannes – Dranske auf Rügen. Ich kam aus Baku, einer Millionenstadt, und landete in einem Fischerdorf mit mehreren hundert Seelen. Links der Bodden, rechts die Ostsee, dazwischen Wald und Strand, keine Menschen zu sehen und nichts weiter als Natur. Das war 1966 und ich fühlte mich, als ob ich in die Verbannung geschickt worden wäre.

Adelia Engel, 2021